ausrücken mit modellen
Noch kommt einem die Gegend vertraut vor, aber »was ist das für ein geruch?« Kam das Licht eben auch schon aus diesem Winkel, oder warum sind die Gesichter in so seltsame Farben getaucht? Etwas scheint nicht mehr zu stimmen. Das Heimelige kippt. Und was da aufblitzt, hat etwas Monströses. »man erkennt gerade mal, wie dünn die schatten / angezogen sind.« Alexander Gumz erweist sich in seinem Debütband »ausrücken mit modellen« als Meister solcher Momente der Beunruhigung, des rätselhaft Schönen aus der Kunst eines verschobenen Blicks. Leichtfüßig inszeniert, mit Witz und treffsicher gesetzten Spots erzählen seine Gedichte von unserer durchlässigen Gegenwart, entziehen dem Bekannten den Boden. Um gleich darauf vorzuführen, wie man sich auch frei schwebend orientieren, »in der mitte des zimmers in der luft halten« kann.
»Alexander Gumz ist das, was man braucht, wenn man in dieser besonderen Stimmung eines langen Sonntags nach dem einen Buch sucht: In der ironischen Melancholie dieses empathischen Lyrikers wird uns die Gegenwart frappierend erkennbar. – Und wir mittendrin in der verrückten Beleuchtung einer schlichten, hoch sensiblen Sprachkunst.« Antje Rávic Strubel
»ausrücken mit modellen‹ wirkt tatsächlich wie ein reifes Werk. An manchen Texten lassen sich Jahresringe erahnen, sie scheinen stetig gewachsen zu sein. Und das, obwohl Gumz’ Lyrik etwas sehr Akutes, Zeitgenössisches hat. Oft gelangt er mit einer Strophe an jenen Punkt, fängt jene Sekunde ein, in der sich Aktualität verwandelt ins Nicht-mehr-Fassbare, wo eine Kehrseite des Wahrnehmbaren aufscheint und Zeitlosigkeit entstehen kann: ›in blendender bewegung eingefroren: ein loop der eigenen erfolge, der spiegelbilder, die wir nicht gewesen sind.‹ Die einzelnen Strophen bestehen meist nur aus zwei Zeilen, und jede einzelne trägt den Kern des ganzen Gedichts oft schon in sich. In jedem in seiner Nüchternheit oft geheimnisvoll wirkenden Bilder ist das Gesamte aufgehoben, und das kommt einem nie wie ein forcierter Akt der Zersplitterung vor, sondern mehr wie eine natürliche Konzentration auf das Wesen des Gedichts. ›unsere sorgen sind bekloppte interieurs‹, heißt es in ›kühle entwicklungen‹, und viel genauer lässt sich die Befindlichkeit der heute 30- bis 40-Jährigen kaum fassen.« Ulrich Rüdenauer, DIE ZEIT online
88 Seiten, mit einem Nachwort von Antje Rávic Strubel, gestaltet von Andreas Töpfer, Klappenbroschur