ich kann diese stelle nicht wiederfinden
Das Gedicht als »bewegung im körper des autors, welcher der leser ist«: Daniela Seels hellhörige, präzis gesetzte Texte loten die Bedingungen unseres Sprechens dort aus, wo es beginnt – in den Körpern, ihren Verordnungen und Verortungen im Raum. Wie mobile sensorische Einheiten beobachten sie die Kontaktstellen zwischen außen und innen, Dressur und Natur, Mensch und Tier, Sprache und Haut und moderieren zugleich den Austausch, der dort verhandelt wird. Von Zeile zu Zeile, Laut zu Laut spüren sie dem Verlangen nach, der »chirurgie« von Gesten durch Anverwandlung auf die Spur zu kommen: »ich habe mir ihren körper dann einfach / umgebunden wie eine schürze.« Doch in dem Versuch zu begreifen, was es heißt, »biene zu sein spinne fledermaus« oder soziales Wesen, gelangen die Texte immer wieder an die Grenzen ihres Sprechens – und erzeugen gerade da eine seltene, dringlich-erregende Präsenz, der man sich schwer entziehen kann. Man will man ohne ihre blitzschnelle Gegenwärtigkeit, ihr reges Zweifeln nicht mehr weiterlesen.
Seit über zehn Jahren gehören Daniela Seels Gedichte zu den Geheimtipps der jüngeren Lyrik, die sie als Verlegerin mit bekannt gemacht hat. Jetzt ist neben der Verlegerin endlich auch die Dichterin zu entdecken.
Friedrich-Hölderlin-Förderpreis 2011
Thalia-Förderpreis zum Ernst-Meister-Preis 2011
Kunstpreis Literatur von Lotto Brandenburg 2011
» … ein Buch, dessen Texte Sensibilität im Wortsinn vorführen, Sinnlichkeit bis in die feinsten Nuancen erkunden. Daniela Seels Lyrik verfährt kompromisslos auf höchstem ästhetischem Niveau, vermeidet jede falsche Feierlichkeit und spielt das komplizierte poetische Spiel mit der Sprache viel lieber mit ernster Leichtigkeit und aller Lust zum Experiment.« Jury zum Friedrich-Hölderlin-Förderpreis
»Das Tollste an deutscher Lyrik in diesem Frühjahr ist für mich Daniela Seels ›ich kann diese Stelle nicht wiederfinden‹. Die Verlegerin von kookbooks hat diesen Verlag nicht nur binnen weniger Jahre zur feinsten Adresse für deutsche Dichter gemacht, sondern erweist sich nun selbst als grandiose Lyrikerin. Ihre Gedichte sind - in Seels Worten - ›etwas trautes, das schauern macht‹: strahlend schöne Sprachgebilde, stählern und doch filigran, einsichtsreich, neu, und eben gleichzeitig vertraut.« Denis Scheck, ARD
»Hier aber wird gerade nicht weggesehen, der genaue Blick, überhaupt Genauigkeit in allem prägt diese Gedichte. Nie spürt man intellektuelle Überheblichkeit bei Daniela Seel, nein, nichts ist trocken hier, alles lebt, vibriert, erfüllt und fühlt sich richtig an, schwebt und ist geerdet zugleich. Bei dieser Lyrikerin ist Sprache Sinn, Eigensinn und Sinnlichkeit, Zeichen und Leben, Haut und Gehirn, ein Lebensareal berührt immer das andere, jedes Wort hat eine Haut, die Filter ist, Filter für das Denken, für die Beobachtungsgabe dieser bis ins Seismographische fein arbeitenden Dichterin. Kurzum: Es sind zeitlose Stunden, die wir mit diesen Gedichten verbringen können und es sind Gedichte - das kommt nicht allzu oft vor -, die wie ›seltsam gefaltete ozeane‹ wirken und dabei eine konkrete Welt erschaffen, die formal genauso überzeugt wie es der Klang macht.
Es ist eine weiche und sanfte, wirklichkeitstaugliche und im Überfluss der Verknüpfungen lebende Tonalität, die nicht nur aufrüttelt, sondern auch denkerisch überzeugt und wieder einmal zeigt, wie sehr Sprache und Denken strukturell bis in die Einzelheiten der Syntax zusammengehören.
In einem Gedicht wird notiert: ›kein ich verfügt über mich‹ und Daniela Seel verweist damit auf ein Zentrum ihrer Poesie, die jetzt schon eine Unverwechselbarkeit aufweist, an der sich manch ein anderer Gedichtband für Gedichtband abarbeiten muss.
Warum gelingt das Daniela Seel so gut? Es ist der Eigensinn, der betört, die Art, wie sie die Ablagerungen in den Wörtern ausforscht, wie sie Gefühle darstellt, Bilder auf ihre Glaubwürdigkeit abklopft, das eigene Erinnern seziert.« Marica Bodrozic, Ö1/ORF
»Das ist große Kunst.« Jochen Hieber, FAZ
»Die Autorin fixiert irreale Momente und erprobt sie an handfesten Wirklichkeiten ... Seels eindringliche Sentenzen könnten zum Bannerzeichen dieser jungen Dichtergeneration werden, die sich nicht im Negieren des Vorgefundenen erschöpft.« Dorothea von Törne, Die Welt
»Der Fixstern der Prosa ist (inzwischen leider, leider) die Saison - der der Poesie wirft sein Licht auf die Jahrtausende. Gerade gestern habe ich in ›ich kann diese stelle nicht wiederfinden‹ auf Seite 43 das wunderbare Gedicht ›allegorie eines kalenderblattes ...‹ gefunden. Ein Gedicht, das bleiben wird, wenigstens für das, was mein Körper von den Jahrtausenden weiß. Und viel, viel später werde ich vielleicht ein nächstes finden, eines wie ›II‹ auf den Seiten 28 und 29, aus dem Kapitel ›wir. der charakter der landschaft‹. Und schon sind es zwei. Und keiner, keiner ist mehr so wirklich alleine.« Alissa Walser, buchjournal
64 Seiten, gestaltet von Andreas Töpfer, Klappenbroschur